Wald in Not – Klimageschichte, Klimawandel und Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen auf unsere Wälder

Bericht von Sonja Husemann, BA-Studierende Theaterwissenschaft, und Stefanie Hildmann, MSc-Studierende Chemie.

„Was wir den Wäldern der Welt antun, ist nur ein Spiegelbild dessen, was wir uns selbst und einander antun.“ (Mahatma Gandhi)

„Der Wald ist das Krankenhaus unserer Seele.“ (Hubert Maria Dietrich)

„Mancher geht durch den Wald und sieht dort nichts als Brennholz.“ (Leo Tolstoi)

Betrachtet man oben rezitierte Ansichten, wird deutlich, dass die Poesie und Philosophie genügend Metaphern liefert, um die Beziehung zwischen Mensch und Natur zu beschreiben. Möchte man sich der wissenschaftlichen Dimension nähern, stellt sich die Frage, wie der Status Quo unserer Wälder tatsächlich aussieht? Gibt es ein „Waldsterben 2.0“ und welche Entwicklungen sind zu erwarten? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, nahmen 18 Studierende der unterschiedlichsten Fachgebiete am QPlus-Seminar „Wald in Not“ teil. So eigneten sich Q+Studierende aus 12 verschiedenen Disziplinen ein theoretisches Grundverständnis am ersten Seminartag an und machten sich am zweiten Seminartag auf den Weg in den Wald!

Das Seminar wurde von Dr. Claudia Hartl, Geografie, und Dr. Michael Weber, Geowissenschaften, sowie auf der praktischen Seite von Andreas Wennemann, Geschäftsführer des Naturpark Rhein-Taunus, sowie drei Revierförstern und Forstpraktikanten gestaltet. Am ersten Seminartag haben wir uns einen Vortrag über den Klimawandel aus geowissenschaftlicher Perspektive von Herrn Dr. Weber angehört. Neben einem Schnelldurchlauf durch die Erdgeschichte, wobei die großen Klimaextreme im Verlauf der Erdgeschichte genauer betrachtet wurden, lernten wir auch verschiedenen Datierungsmethoden kennen, die für die Bestimmung von beispielsweise dem CO2-Gehalt in der zurückliegenden Atmosphäre angewendet werden können. Der Rückblick in der Erdgeschichte hat gezeigt, dass sich das Klima immer schon wandelte, nur noch nie so schnell wie bei den heutigen Klimaveränderungen im Anthropozän. Bei Bildern wie etwa der Snowball-Earth wurde deutlich, dass nur wenige Grad mehr oder weniger auf der Erde einen großen Unterschied in Hinsicht auf die Klima- und Lebensbedingungen machen. An diesen zeitlichen und methodischen Überblick angeschlossen hat Dr. Claudia Hartl mit ihrem Vortrag über die Klimageschichte, den Klimawandel und die Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen auf unsere Wälder. Zuerst wurde uns dabei die Arbeit mit Holzbohrkernen und die Datenauswertung mit der Dendrochronologie erklärt. So wurde beispielsweise deutlich, wie man aus fehlenden Baumringen im norwegischen Nadelwald auf den Kunstnebel des Nazi-Schiffs „Tirpitz“ schließen konnte. Im Anschluss daran wurden Klimaprofile einzelner Baumarten besprochen und gezeigt, dass viele Baumarten nicht an ihren natürlichen Standorten stehen und – nicht nur wegen des abweichenden Standorts durch die menschliche Pflanzung – durch die Hitzesommer und die die geringen Regenfälle in den vergangenen Jahren, in einem miserablen Zustand sind.

Während der Busanfahrt versunken in eine sprachlich geführte Traumreise durch die Zeit vom Urknall bis zum heutigen Besuch im Wald, erreichten wir am zweiten Seminartag den Kasteller Zugmantel und trafen uns u.a. mit dem Revierförster Matthias Kirchner. Bei gutem, trockenem Wetter haben wir uns zuerst einen Altbestand angeschaut, in dem die Folgen der Hitzesommer 2018/2019 eindeutig zu sehen waren: lichte Baumkronen, von einem Pilz befallene oder abgestorbene Bäume. Von dort aus sind wir weiter in einen jüngeren Teil des Forsts gegangen, um uns dort die Strategien der Förster zum Erhalt eines gesunden Waldes, der gleichzeitig auch zur Holzproduktion genutzt werden kann, anzuschauen. Gegen Mittag folgte der aktive Part: das Pflanzen von kleinen Weißtannen und Douglasien auf der Fläche von einem ehemaligen Fichtenbestand, der aufgrund von Trockenheit und Borkenkäferbefall gefällt werden musste. Nachdem uns gezeigt wurde, wie wir die kleinen Setzlinge richtig in den Waldboden bringen, ging es mit Spaten ausgerüstet ans Pflanzen. In Zweier-Gruppen brachten wir an dem Vormittag über 100 junge Bäume, die etwa drei Jahre alt und 20 cm hoch waren, in den Boden und haben so (hoffentlich) mit resistenten und an die Trockenheit angepasste Baumarten ein Stück zukunftsfähigen Wald gepflanzt. Vorgestern noch darüber gesprochen, konnten wir mit Frau Hartl auch noch selbst einen Bohrkern aus einem Baum ziehen und so die Forschungsarbeit vor Ort erfahren und ausprobieren. Von diesem Waldstück aus wurden wir weiter nach Heidenrod gefahren. Auf der Fahrt gab es für alle eine ausgiebige Brotzeit und angeregte Gespräche über die ersten Erfahrungen. In Heidenrod angekommen, haben wir uns mit Revierförster Tino Manthey und Volker Diefenbach eine Freifläche angeschaut. Hier wurde uns erklärt, warum man, mangels Geldes, ausreichender Setzlinge, Anwuchs-Sicherheit und aus aufwandstechnischen Gründen, auf eine komplette Aufforstung der Fläche verzichtet und Mutter Natur sich erst einmal selbst überlässt. Lediglich in einzelnen Gattern wurden versuchsweise einige Baumarten auf der Fläche angesiedelt. Auf der restlichen Fläche können Bäume aus der vorher schon vorhandenen Verjüngung, den Samen, die im Boden sind oder durch angrenzende Waldflächen dorthin geweht werden, ein neuer Wald entstehen. An diesem Standort haben wir uns in dem angrenzenden Buchenbestand noch die Verjüngungsstrategie anschauen können, bei der in einer niedrigeren Schicht ein jüngerer Wald nachwachsen darf und somit für den Nachschub an neuen Bäumen gesorgt wird. Zum Abschluss sind wir noch zum Windpark Heidenrod gefahren und wurden dort kurz über die Entstehungsgeschichte und Funktion der Windräder informiert, bevor wir nach einem ereignisreichen Herbsttag mit dem Einbruch der Dämmerung wieder nach Mainz aufgebrochen sind.

Resümierend wurde deutlich, dass die Auswirkungen des Klimawandels deutlich in den Wäldern zu spüren sind und es nicht ausreicht, aufzuforsten. Dass Baumpflanzen nicht nur körperlich aufwendig ist, was wir an eigenem Leib erfahren haben, ist hierbei das geringste Problem. Vielmehr sind strukturelle Ursachen und aktuelle klimatische Bedingungen, an welche unsere heimischen Bäume nicht angepasst sind, maßgeblich dafür verantwortlich, dass man zumindest von einem „Baumsterben 2.0“ sprechen kann. Beim nächsten Waldspaziergang sind nun geschulte Blicke in die Baumkronen oder Betrachtungen der Baumrinden vorprogrammiert!

 

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