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Intersektionale Perspektiven auf Gender und Körper

Montags | 16:15 - 17:45 Uhr | Raum N 25 (-01-421) NatFak Hauptgebäude

Im Wintersemester 21/22 startete die Ringvorlesung mit einem Einblick in die wissenschaftlichen Arbeiten der Lehrenden unterschiedlicher Disziplinen an der JGU, die sich mit der Kategorie Gender auseinandersetzen. In diesem WiSe 23/24 werden zum dritten Mal weitere Perspektiven der Mainzer Geschlechterstudien beleuchtet und zur Diskussion gestellt. Wir möchten eine öffentliche Debatte anregen, Lehrende und Studierende vernetzen und die Sichtbarkeit des Themas an der JGU erhöhen. Schwerpunkt wird diesmal das Spektrum von Genderdiskursen aus intersektionaler Perspektive und mithin ihre Verwobenheit mit Körpern sein.

Alle Interessierten sind herzlich willkommen!

Organisiert von Julia Reichenpfader und Dennis Hippe (Studienprogramm Q+), Linda Hentschel (Kunsthochschule Mainz), Friederike Nastold (Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg).

30.10.23 | Parastou Forouhar | Kunst | Tschador

Anhand ihrer fotografischen Arbeiten, in denen das „Kleidungsstück“ des Tschador zum Thema gemacht wird, spricht Parastou Forouhar über Klischees und Zuschreibungen, mit denen sie immer wieder konfrontiert wird.

Parastou Forouhar wurde 1962 im Iran geboren und kam 1991 nach Deutschland. Sie ist eine international renommierte Künstlerin und leitet aktuell eine künstlerische Klasse an der Kunsthochschule Mainz. Forouhar engagiert sich gegen politische Repression und Gewalt und agiert als Mittlerin zwischen den Kulturen.

06.11.23 | Ruth Gehrmann | Amerikanistik | “Because I have nothing to give back to you”: Geschlechterrollen in Twilight

Stephenie Meyers Twilight-Saga hat sich in den fast zwanzig Jahren seit Veröffentlichung des ersten Bandes fest in den popkulturellen Raum eingeschrieben. Die Protagonist*innen Bella, Edward und Jakob und die Schauspieler*innen, die sie in den filmischen Adaptionen verkörperten, stellen dabei wichtige Bezugsgrößen dar und inspirierten andere Werke, wie etwa die 50 Shades of Grey-Reihe. Die intensiven Reaktionen, die die Reihe dabei hervorruft, machen hier bereits die Zentralität von gegenderten Rollendynamiken deutlich, die dieser Vortrag in den Blick nehmen möchte. Der Vortrag nimmt die Originaltitel sowie die Reaktionen von Fans und Kritik*innen in den Blick und verknüpft sie mit intersektionalen Kategorien wie Age und Class.

Ruth Gehrmann ist Amerikanistin und forscht als Postdoktorandin im DFG Sonderforschungsbereich 1482: "Humandifferenzierung" der JGU. Ihre Forschung setzt sich mit Strategien des erfolgreichen Alterns auseinander und untersucht ihre Darstellung im Lifestyle-Bereich. Ihr Promotionsprojekt konzentrierte sich auf Organtransplantation in Spekulativer Literatur. Dabei beschäftigte sie sich mit Texten unterschiedlicher Gattung und widmete sich insbesondere der Frage, wie Machtdynamiken und Marginalisierung die Repräsentation von Organtransplantation beeinflussen. Dieses Projekt ermöglichte es ihr auch, sich auf ihre Forschungsinteressen zu konzentrieren: Popkultur und die Medical Humanities.

 13.11.23 | Elena Backhausen | Theaterwissenschaft | Performanzen der Un:Abhängigkeit. Sehbehindertensport als Dis:ability Performance

“The major thing for me is about trust, is about Makoye [James' Guide] needs to do what I do, but it is about communication as well, he is constantly communicating me throughout the 100m race, whole way, he is in my ear [...]. He is creating a picture for me of where I am.” James Ledger, sehbehinderter Athlet.

Im Sehbehindertensport sprinten paralympische Athlet*innen gemeinsam mit einem Guide — verbunden durch ein 10 Zentimeter langes Band an ihren Händen. Doch wie sprechen die Sportler*innen selbst über ihre Beziehung, wie wird dieses vermeintliche Abhängigkeitsverhältnis medial repräsentiert, welche Strukturen des paralympischen Sports unterstützen das Narrativ der Einzelleistung und wie wird der aus den aktionistischen Bewegungen der Dis:ability Community zentrierte Wert der Unabhängigkeit diskursiv im Sinne des Independence-Ideals heraufgespielt? Welche nicht messbaren, leistungsermöglichenden Faktoren wie Vertrauen und Synchronizität sind für Para-Sportler*innen mit Guide ausschlaggebend und wie wirken diese auf die bestehenden Interdependenzen?

Elena Backhausen (sie/ihr) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie studierte Theaterwissenshaft und Germanistik (B.A.) in Mainz und Helsinki und Dramaturgie (M.A.) in Frankfurt und Stockholm. Seit 2021 ist sie Mitarbeiterin des Sonderforschungsbereiches 1482 „Humandifferenzierung“ in dem Teilprojekt „Disability Performance als Humandifferenzierung“ und beschäftigt sich in ihrem Dissertationsprojekt mit Performanzen der Un:Abhängigkeit zwischen Athlet:innen und Guides im Sehbehindertensport. Gemeinsam mit Benjamin Wihstutz und Noa Winter veröffentlicht sie als Ko-Herausgeberin den Sammelband „Out of Time? Temporality in Disability Performance“, der sich mit dem Thema crip time auseinandersetzt und im Sommer 2023 im Routledge Verlag veröffentlicht wird.

20.11.23 | Leonie Zilch | Filmwissenschaft | Was wir von Pornografie lernen können

Mit dem inzwischen berühmten Ausspruch „I know it when I see it” charakterisierte Richter Potter Stewart 1964 Hard Core Pornografie. Bis heute umgibt Pornografie im Alltagsdiskurs ein festgeschriebenes Halbwissen: Sie ist sexistisch, frauenverachtend, vermittelt ein unrealistisches Bild von Sex, zeigt nur normierte Körper und sieht sowieso immer gleich aus. Wirft man einen genaueren Blick auf zeitgenössische Pornografie, aber auch in die Geschichte jener, stellt sich unweigerlich die Frage, ob Potter Stewart wirklich hingeschaut hat oder ob Scheuklappen das Denken über und Sehen von Pornografie strukturieren. Der Vortrag wirft einen kritischen Blick auf Pornografie und den sie umgebenden Diskurs. Gemäß einer film- und kulturwissenschaftlichen Perspektive begreift er Pornografie sowohl als mediales Artefakt (Film, Video, Clip, Roman etc.) als auch kulturelles Konstrukt. In diesem zweifachen Sinn stellt sich die Frage: Was lernen wir von ihr über uns? Über geltende Norm- und Wertvorstellungen, aber auch über unser Begehren und unseren Umgang mit diesem? Welche Bilder bietet sie an? Welches Wissen über Sexualität transportiert sie?

Leonie Zilch (Dr. phil) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Filmwissenschaft. Sie studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Philosophie und Germanistik. 2020 wurde sie an der Ruhr-Universität Bochum mit der Arbeit „Erregende Dokumente. Pornografie und dokumentarische Autorität“ promoviert, die sie im Rahmen des Graduiertenkollegs „Das Dokumentarische – Exzess und Entzug“ verfasste. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Porn Studies, Film- und Medienbildung, Wissensgeschichte unabhängiger Sexualaufklärung, dokumentarische Formate und Dramaturgien.

! Vortrag entfällt, ggf. verschoben auf WiSe24/25 ! - 27.11.23 | Anna Kirchner | Erziehungswissenschaften | Das widerständig-emanzipatorische Potenzial des Leibs von inter* Personen 

Die (sozial)wissenschaftliche Forschung zeigt immer wieder, dass die Versuche inter* Körper qua Operationen und Hormongaben (Zurichtung) zu binärgeschlechtlichen zu machen, scheitern und stattdessen versehrte inter* Körper entstehen. Dabei kann das Scheitern nicht nur an sichtbaren, körperlichen Spuren der Versehrung (Narben) verzeichnet werden, vielmehr besitzt das Gewebe einen nicht zurichtenbaren „Eigen_Sinn“, sodass sich auch nach der Zurichtung nicht binärgeschlechtlich lesbare Leibinseln bilden (können). Das leibliche Spüren bleibt in diesem Fall den Zurichtungen gegenüber widerständig und besitzt ein emanzipatorisches Potenzial.

Anna Kirchner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft der Johannes-Gutenberg Universität Mainz. In ihrem Promotionsprojekt befasst sie sich mit Subjektivierungen von inter* Personen in autobiografischen Reden. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen: Geschlechterforschung (insb. Intergeschlechtlichkeiten), Leibkörper, poststrukturalistische Theorie, Intersektionalität und qualitative Sozialforschung.

04.12.23 | Franziska Fay | Ethnologie | Feministische Öffentlichkeiten und Politischer Wandel in Tansania

Diskussionen zu ‚feministischer Politik‘ haben in Tansania zugenommen, seitdem Samia Suluhu Hassan im Jahr 2021 die erste Präsidentin des Landes wurde. In diesem Vortrag werden einige der Ebenen, auf denen diese Diskussionen stattfinden, nachgezeichnet und es wird entlang von Konzepten aus dem Feld und mit Hilfe theoretischer Ansätze aus Feministischer und Politischer Anthropologie gezeigt, wie sich Ideen von ‚Feminismus‘ und ‚Geschlechtergerechtigkeit‘ dadurch breiter denken lassen.

Franziska Fay ist Juniorprofessorin für Politische Ethnologie am Institut für Ethnologie und Afrikastudien (ifeas) an der Johannes Gutenberg Universität Mainz. Ihr Buch “Disputing Discipline: Child Protection, Punishment and Piety in Zanzibar Schools” ist 2021 bei Rutgers University Press erschienen. Fay arbeitet zu Fragen von Schutz, Kindheit und Sprache in Tansania, Sansibar und Oman.

! Vortrag entfällt, ggf. verschoben auf WiSe24/25 ! 11.12.23 | Rachel Etse | Ethnologie | Wer ist Laure in Manets Olympia? – Die (Un-)Sichtbarkeit Schwarzer Frauen in Wissenschaft und Gesellschaft

In den letzten Jahren gelangten vor allem in Deutschland immer mehr Schwarze Frauen in höherrangige und sichtbare Positionen, die nie zuvor von Schwarzen Frauen besetzt wurden. Sei es die erste Schwarze Bundestagsabgeordnete Awet Tesfaiesus, die erste Schwarze Ministerin Aminata Touré oder die erste Schwarze Tatort-Kommissarin Florence Kasumba. Hinzu kommen auch wirkungsreiche Frauen wie Doreen Denstädt oder Maisha-Maureen Eggers, um nur einige aufzuzählen.

Die langsam wachsende Repräsentanz Schwarzer Frauen im Globalen Norden basiert auf einer langen Geschichte der Marginalisierung und Unsichtbarmachung. Ausgehend von einer Analyse der mangelnden wissenschaftlichen Rezeption des Schwarzen Modells Laure in Edouard Manets Olympia (1863), geht der Vortrag der Frage nach, wie sich die Unsichtbarkeit Schwarzer Frauen in der Vergangenheit erklären lässt und wie es heute um die Repräsentanz Schwarzer Frauen steht.

Rachel Etse ist Q+Studentin und studiert im Master Ethnologie an der JGU Mainz. Sie hat in ihrer Bachelorarbeit die Repräsentation Schwarzer Menschen in der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts untersucht. Aktuell forscht sie für ihre Masterthesis zur Beleidigungskultur im deutschen Männerfußball.

 18.12.23 | Miriam Brunnengräber & Maik Wiesen | Soziologie | Sexualität und Behinderung als soziales Problem

Menschen mit Behinderungen werden sozial häufig aus dem Feld der Sexualität exkludiert. Ihr Begehren und der gesellschaftliche Umgang damit werden in sozialpädagogischen und aktivistischen Diskursen entsprechend auch als ‚behinderte Sexualität‘ (im Sinne einer gesellschaftlich verhinderten Sexualität) verhandelt. Der Vortrag gibt empirische Einblicke in das Forschungsprojekt „Sexuelle Humandifferenzierung und Behinderung“, welches sexualpädagogische Bildungs- und Beratungsangebote für Menschen mit Behinderungen analysiert. Dabei rekonstruieren die Vortragenden, wie in der pädagogischen Alltagspraxis der Zusammenhang von Sexualität und Behinderung als soziales Problem thematisiert und bearbeitet wird. Anhand von Fallbeispielen aus der ethnografischen Feldforschung mit sexualpädagogischen Expert*innen werden so die gesellschaftlichen, kulturellen und institutionellen Bedingungen pädagogischer Fürsorgeleistungen aufgezeigt.

Miriam Brunnengräber hat Soziologie und Erziehungswissenschaft in Mainz studiert. Ihren Master in Soziologie hat sie 2019 abgeschlossen und arbeitet seitdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Soziologische Theorie und Gender Studies. Seit 2021 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderforschungsbereich Humandifferenzierung.

Maik Wiesen hat im Bachelor Soziologie am Max-Weber-Institut der Universität Heidelberg studiert und danach einen Master in Medizinischer Anthropologie an der University of Oxford absolviert. Seit Oktober letzten Jahres arbeitet er ebenfalls als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungs-bereich „Humandifferenzierung“ und promoviert am Arbeitsbereich Soziologische Theorie und Gen-der Studies hier in Mainz.

! Vortrag entfällt, ggf. verschoben auf WiSe24/25 ! 08.01.24 | Kathrin Fuchs | Komparatistik | Die Frau – eine Schlange?

Medusa, Kleopatra, Eva – viele bekannte Frauenfiguren der Weltgeschichte stehen in Verbindung mit einem der ambivalentesten Symboltiere, das die Menschheit kennt: die Schlange. Warum werden Frauen mit oder als Schlangen dargestellt? Sind sie „falsche Schlangen“, halbe Schlangen, Schlangen in Frauenform? Oder Frauen in Schlangenform?

In diesem Vortrag wird sich anhand von Literatur auf eine Reise durch die Zeit begeben, um die Beziehung von Frauen und Schlangen und Frauen als Halbwesen genauer zu untersuchen und zu verstehen. Angefangen bei den Sirenen der Antike, über den biblischen „Sündenfall“, mittelalterliche Herrscherinnen in Schlangengestalt bis hin zur Lorelay und den bedrohlichen, tierischen Frauen in der aktuellen Popkultur werden verschiedene Konzepte und Ambivalenzen dieser Verbindung betrachtet und versucht, ihre Funktionen zu verstehen.

Kathrin Fuchs hat Europäische Komparatistik und Geschichtswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität studiert und ihren Bachelor im Sommer 2023 abgeschlossen. Im Rahmen einer Beschäftigung beim Südwestrundfunk veröffentlicht sie u.a. Artikel und freiberuflich hält sie Vorträge. Das Thema ihres Vortrags „Die Frau – eine Schlange?“ ist eine Erweiterung ihrer Bachelorarbeit.

 15.01.24 | Dorothea Erbele-Küster | Evangelische Theologie | Care Arbeit, Migration und Nahrung im biblischen Buch Ruth

Das biblische Buch Rut ist nach einer fremden Frau benannt, die trotz ihrer Assimilationsbemühungen, ihrer körperlichen Arbeit, nämlich ihrer Sexualität und dem Sammeln von Getreide, eine Außenseiterin in der Gesellschaft bleibt. Rut, die Moabiterin, folgt ihrer Schwiegermutter Naomi, die selbst wegen einer Hungersnot nach Moab ausgewandert war, als sie in ihren judäischen Heimatort Bethlehem zurückkehrt. Im Buch Ruth bestimmen Nahrung und (Un-)Fruchtbarkeit die Handlung. Nahrung wird traditionell zwar nicht in Listen und Analysen von intersektionalen Kategorien aufgeführt, doch sie erweist sich als hilfreich für verschiedene soziologische Kategorien wie Arbeit, Status, Klasse, Alter und Geschlecht.

Im Vortrag werden das Buch Ruth und dessen Protagonistinnen vor dem Hintergrund der globalen vulnerablen Nahrungsketten und care chains gelesen. Es wird entsprechend der Frage nachgedacht: Quo Vadis Ruth und Naomi in Zeiten der globalen Ernährungs-, und Gesundheitskrise und der Krise der Flüchtlingspolitik?

Dorothea Erbele-Küster, apl. Prof. Dr., hat eine Lehr- und Forschungsstelle zu Gender, Diversity und Biblischen Literaturen am FB01 der JGU. Feministische Hermeneutik, Traumastudien und Food studies gehören zu ihren Forschungsschwerpunkten.

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