Rassismus und rechter Terror – gestern und heute

Ein Bericht von Mattis Trouvain, Bachelorstudent Politikwissenschaft und Publizistik

An dieser dreitägigen Q+Exkursion im Juli 2021 unter der Leitung von JProf. Dr. Constantin Wagner und Dr. Yalız Akbaba nahmen zwölf genesene oder vollständig geimpfte oder negativ getestete Studierende aus neun verschiedenen Fachdisziplinen teil. Am zweiten Tag der Exkursion wurden die Teilnehmenden bei einem Testcenter vor Ort erneut negativ getestet.

Aus welcher Perspektive wird eine Geschichte erzählt? Die Wichtigkeit dieser Frage ist eine der vielen Dinge, die mir in diesem Seminar deutlicher denn je wurden. Deshalb erzähle ich hier ausdrücklich nur meine persönliche Perspektive auf die Veranstaltung, obwohl ich glaube, dass sie wohl in einigen Punkten mit denen der anderen Teilnehmenden übereinstimmt.

Mit dem Thema Rassismus habe ich mich im Nachgang des Mordes an George Floyd und den anschließenden Protesten und Debatten in Teilen der Gesellschaft zum ersten Mal intensiv auseinandergesetzt. Dass ich davor nie wirklich mit dem Thema in Kontakt kam, zeigt, in welcher privilegierten Situation ich mich befinde. Es zeigt auch, dass ich bis dahin nur meine eigene oder ähnliche Perspektiven kennengelernt hatte, womit ich sicherlich nicht alleine bin.

Damit ist die Grundfrage des Seminars bereits benannt: Welche Perspektiven werden in Deutschland gesehen, wessen Geschichten werden erzählt? Eines der Themen, zu denen ich mir diese Frage noch nicht gestellt hatte, war die deutsche Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Ein Thema, dachte ich, dass in der Schule so oft behandelt wurde, zu dem es Gedenktage, Museen und zahlreiche Denkmäler gibt, musste doch gut aufgearbeitet sein. Es ist praktisch unmöglich, in Deutschland aufzuwachsen und sich nicht mit der NS-Zeit und dem Holocaust auseinanderzusetzen. Doch so einfach ist es nicht!

Um den Umfang dieses Berichtes nicht ausufern zu lassen, fasse ich sehr knapp einen zentralen Punkt zusammen, der im Seminar herausgearbeitet wurde. Die deutsche Erinnerungskultur zur NS-Zeit bezieht sich auf genau eine Perspektive: Die bestimmter Deutscher. Der Holocaust und die NS-Verbrechen sind nach diesem Narrativ eine Bürde für Deutschland, der es sich mit einer gründlichen Aufarbeitung zu befreien gilt. Das Ziel des Erinnerns ist ein reines Gewissen. Es wird die Frage gestellt: Wie konnte es dazu kommen? Wie konnten „die Deutschen“ so etwas tun? Andere Sichtweisen werden dabei komplett ausgeklammert: Die jüdische, die queere, die von Menschen mit Behinderung, die von Sinti:zze und Rom:nja, die von Muslim:innen und viele weitere. Eine gesamtdeutsche Erinnerungskultur kann aber nicht funktionieren, wenn sie sich nur an einen Teil der Menschen richtet.

So viel, gefährlich stark verkürzt, zum Inhaltlichen. Zu Beginn des Seminars kamen wir in einer vierstündigen Online-Sitzung zusammen. Dabei ging es um grundsätzliche Fragen zum Thema Rassismus und Diskriminierung. Von Beginn an entstand eine offene und kommunikative Lernatmosphäre, die, zumindest bei mir, bereits für Vorfreude auf das anstehende Seminarwochenende in der NS-Gedenkstätte Vogelsang in der Eifel sorgte (sofern man vor einer Exkursion an einen solchen Ort von Vorfreude sprechen kann). Dort setzte sich die gute Gruppendynamik fort, was nicht zuletzt am tollen Umgang der beiden Lehrenden, Constantin Wagner und Yalız Akbaba, mit uns lag.

Kurz zur Erklärung: Bei der NS-Ordensburg Vogelsang handelt es sich um ein von den Nationalsozialisten gebautes Gelände, in dem die nächste Führungsgeneration der NS ausgebildet wurde, also um einen sogenannten Täterort (im Gegensatz zu Opferorten wie ehemaligen Konzentrationslagern). Wir besuchten die Dauerausstellung „Herrenmenschen“, bekamen eine Führung über das Gelände, unternahmen eine geführte Wanderung in der Umgebung und diskutierten intensiv und kritisch über das Erlebte. Dabei wurde vom ersten Tag an klar, dass dieser Ort und die Umsetzung der Gedenkstätte symptomatisch für die gescheiterte deutsche Erinnerungskultur sind.

Inhaltlich beinhaltet dieser Bericht nur einen Bruchteil dessen, was ich gelernt habe und was diskutiert wurde. Eines ist mir aber über das Thema hinaus klar geworden, obwohl ich dachte, es eigentlich bereits zu wissen: Alles, was man zu wissen glaubt, muss kritisch hinterfragt werden. Denn häufig kennt man nur eine von unzähligen Perspektiven.

 

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