Raum der Unterschiede – Exkursion zum Bauhaus in Dessau

Ein Bericht von Fangyi Chen, Masterstudentin Translationswissenschaften Chinesisch-Deutsch

Was ist Bauhaus, wenn es nicht nur ein bedeutender Architekturstil ist? Mit dem Bauhaus verbindet man eine Ästhetik aus Linien und Farben. Bauhaus ist revolutionierter Lebensstil der Funktionalität. Bauhaus ist auch ein Zusammensein der Lernenden und Lehrenden mit dem Ziel der Kreation. Der letzte Punkt beschreibt auch die Veranstaltung „Raum der Unterschiede - Exkursion zum Bauhaus in Dessau“, die als Open Studio in Kooperation mit der Kunsthochschule Mainz und dem Bauhaus Dessau realisiert wurde.

Im Rahmen des Studienprogramms Q+ sind wir im Juli 2020 mit einer kleinen Gruppe aus Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen wie beispielsweise Rechtswissenschaft, Translationswissenschaft, Bildende Kunst und Soziologie nach Dessau gefahren, wo wir innerhalb von zwei Tagen das Bauhausgebäude und das Bauhausmuseum besucht haben. Im Bauhausgebäude gab es eine Führung, bei der wir unter anderem die Lehr- und Arbeitsräume sowie das bekannte Büro des Bauhausgründers Walter Gropius besichtigten. Durch die einfachen Farben, das schlichte Design und die starke Betonung der Transparenz in dem Gebäude lassen sich sehr gut die wichtigen Elemente, sowie die Grundideen des Bauhauses erkennen.

Nach der Führung haben wir am Vorkursprogramm von Katja Klaus und Philipp Sack teilgenommen: In einem Werkraum des Bauhausgebäudes lernten wir die Geschichte und die Ideen des Bauhauses besser kennen, z.B. das erstmalige Überbrücken von angewandter und ästhetischer Kunst am Bauhaus oder die Möglichkeit des Studiums auch für weibliche Studierende.

Ein Highlight des Vorkursprogramms war das kleine Materialexperiment, bei dem wir mit Gegenständen in der Nähe versuchen sollten, Spuren auf dem Papier zu hinterlassen. Das war eine Aufgabe, die damals auch die Schüler*innen des Bauhauses bekamen, um das Material besser kennenlernen und um ihre Kreativität entfalten zu können. Die Vorkurse sollten das institutionalisierte Wissen über Kunst brechen und zum freien Denken anregen. Die Q+Studierende haben zum Beispiel mit Wasser, einer Uhr und einem Schnürsenkel das Experiment durchgeführt - das „Out-of-Box Thinking“ war sehr interessant.

Das Programm und der Besuch des Bauhausgebäudes eröffneten uns neue Perspektiven in Bezug auf das Leben und das Lernen im Bauhaus: Bauhaus ist mehr, als nur die bekannten Möbel oder der Architekturstil. Es ist auch ein Lehrversuch und ein Experiment im Zusammenleben zwischen Lehrenden und Lernenden. Man sieht, dass sich die Architektur des Bauhausgebäudes in vier Teile aufteilen lässt (Lernbereich, Administration, Wohnbereich und die Grün- bzw. Freizeitfläche hinter dem Gebäude) und alle Bereiche verschiedene Funktionen und Formen haben. Der Lehrbereich ist breit, offen und lässt Freiraum für Kreativität. Der Bürotrakt befindet sich im Zentrum des Gebäudes. Die Zimmer im Wohnbereich sind sowohl separat als auch verbunden, was sich in den Beziehungen der dort wohnenden Schüler*innen widerspiegelt. Schließlich bietet der Rasen hinter dem Gebäude weitere Möglichkeiten für freie Aktivitäten. Bauhaus war wie ein kleines Utopia, das bis in die Gegenwart durch seine Werke Einfluss auf die breite Welt ausübt.

Um auch die Werke kennenzulernen, besuchten wir am nächsten Tag das Bauhaus-Museum. Wir haben das Museum zuerst mit einer Führung besichtigt und anschließend selbstständig. Dabei bekamen wir die Aufgabe, uns zu überlegen, wie man selber die Ausstellung konzipiert hätte. Daraus ist eine sehr spannende Diskussion entstanden, bei der alle ihre Kreativität und kritische Denkweise einbringen konnte.

Henrike Plegge von der Kunsthochschule Mainz, die die Exkursion betreute, setzte viele Lehrmethoden ein, die auch vom Bauhaus hätten stammen können. So haben wir zum Beispiel ein Kästchen mit Papier verschiedener Farben und Materialien bekommen, mit denen wir frei Notizen machen bzw. malen konnten. Mehrmals haben die Studierenden erwähnt, dass der Kurs „wie das Bauhaus ist“. Auch das Zusammensein im Zug, das gemeinsame Essen und viele Diskussions- und Reflexionsrunden im Kurs boten die Möglichkeiten des Gedankenaustauschs unter den Studierenden, der nicht nur im damaligen Bauhaus wichtig war, sondern auch dem Kerngedanken von Q+ entspricht.

Zwei Wochen nach dem Kurs haben wir uns noch einmal getroffen. Als wir auf dem Rasen am Rhein saßen, musste ich an die Bauhaus-Schüler_innen denken, die damals wohl auch auf dem Rasen hinter dem Bauhaus-Gebäude saßen: Im Raum der Unterschiede lernt man sich kennen und entwickelt sich durch den kreativen Austausch weiter. Dieser Raum wurde sowohl damals vom Bauhaus, als auch jetzt von der Exkursion „Raum der Unterschiede“ geboten.

Weitere Infos zum Open Studio Mainz sehen Sie hier.

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