„Game of Tones“ – Kognitive, motivationale und soziale Aspekte bei der Vermarktung von ernster Musik.

Bild: © RMF / Ansgar Klostermann

Bei diesem außergewöhnlichen, mehrteiligen Q+ Baustein, an dem Studierende der Fächer Anglistik, Buchwissenschaft, Ethnologie, Geschichte, Kommunikationswissenschaften, Kunstgeschichte, Mathematik, Musik, Publizistik und der Wirtschaftswissenschaften teilnahmen, ging es um sehr verschiedenen Perspektiven auf ernste Musik.

Mit Prof. Oliver Emrich, Professor für Management am Fachbereich 03, und Jana-Verena Gerhart, wissenschaftliche Mitarbeiterin am FB 03, diskutierten wir ökonomische, kulturelle und ästhetische Perspektiven im Hinblick auf die Vermarktung von e-Musik. Wir analysierten und betrachteten an zwei Blockseminartagen die Hauptakteur*innen Sender*in (Komponist*in; Intendant*in; Musiker*in; Dirigent*in) und Rezipient*in (Käufer*in; Konzertbesucher*in) und versuchten, die Mechanismen des e-Musikmarktes zu verstehen, z.B. wie konkrete Vermarktungsstrategien für e-Musik entwickelt werden.

Am dritten Blockseminartag beschrieb uns der Cellist Daniel Geiß, der als Dozent an der Hochschule für Musik Mainz und u.a. als Mitglied im Orchester der Bayreuther Festspiele tätig ist, aus der künstlerischen Perspektive, wie sich e-Musik als kunstschaffender Prozess vollzieht. Dabei erhielten wir sehr spannende und praxisnahe Einblicke in den Ablauf von Konzerten oder in die Festivalplanung aus Sicht eines international agierenden Cellisten, der uns sogar ein bisschen das Dirigieren beibrachte.

Dann erwarteten uns spannende Kamingespräche mit zwei Musikmanager*innen, die für ein jeweils sehr unterschiedliches Konzept von e-Musik-Organisation stehen: Zum einen Carole Friedman aus Boston/USA, die als Geschäftsführerin zwei Jahrzehnte lang das Boston Baroque Orchestra zusammen mit dem künstlerischen Leiter und Dirigenten Martin Pearlman aufbaute und zu einem der führenden, mit mehreren Grammys ausgezeichneten Barockensembles der USA entwickelte. In dem sehr kurzweiligen und bisweilen witzig-humorvollen Austausch, den wir auf Englisch führten, vertrat Carole Friedman den Standpunkt, dass e-Musik eine Art „Bildungsauftrag“ erfülle. E-Musik ließe uns Menschen in den Kontakt mit „dem Universum“ kommen und zeige uns auf, dass „Existenz“ größer ist als wir selbst. Anders hingegen beschrieb Marsilius Graf von Ingelheim, Geschäftsführer des Rheingau Musikfestivals (RMF), seine Sicht auf e-Musik-Festivalorganisation. Das RMF ist das größte, rein privatwirtschaftlich organisierte e-Musik-Festival Europas. E-Musik und e-Musikschaffende sind für ihn vor allem aus wirtschaftlicher Perspektive zu bewerten. Musikalische „Experimente“ wie zeitgenössische Musik oder politische Statements wie die derzeitige „Courage“-Reihe des RMF sind daher aus ökonomischen Gründen sorgfältig zu reflektieren. Auch mit kritischen Fragen, etwa ob es (inhaltliche) Grenzen bei der Akquise von Sponsoring gebe, ging Marsilius von Ingelheim sehr offen und konstruktiv um. Beide Konzertmanager*innen vermittelten uns ungewöhnlich offene und ehrlich wirkende Einblicke in ihre anspruchsvolle Arbeit.

Ein ganz besonderes Highlight erwartete uns zum Abschluss des Q+Bausteins: Das Konzert des Bochabela String Orchestra (BSO) aus Kapstadt/Südafrika „Long Walk to Freedom“ im Kloster Eberbach. Das BSO gründete sich nach der Befreiung von Nelson Mandela als zunächst soziale Maßnahme, um jungen Menschen aus den Slums und Townships Südafrikas mit Hilfe von e-Musik den Weg in ein besseres Leben zu ermöglichen. Hier wurde deutlich, dass e-Musik auch eine soziale Perspektive haben kann. In der magischen Atmosphäre der Basilika des im 11. Jahrhundert gegründeten Zisterzienserklosters Eberbach konzertierte das BSO die „Nelson-Messe“ von Joseph Haydn (1732-1809) verbunden mit Anti-Apartheid-Gesängen aus der Befreiungsbewegung des schwarzen Südafrikas. Diese Messe „für schwere Zeiten“, kombiniert mit den sehr unter die Haut gehenden Gesängen der Anti-Apartheid-Bewegung rührte die Menschen in der restlos ausverkauften Basilika. Und so geriet dieses besondere Konzert für die Besucher*innen zu einem beeindruckenden Statement gegen Gewalt und für Courage. Das Publikum bedankte sich für dieses einmalige Konzert mit minutenlangen Jubel und Standing Ovations.

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