Eine Welt frei von Plastik – Segen oder Fluch?

Prof. Dr. Katharina Landfester (Mitte) mit Q+Studierenden

Bericht von Stefanie Hildmann, 1. Semester M. Sc. Chemie

Im Sommersemester 2019 wurde im Rahmen einer Q+Veranstaltung das Thema „Eine Welt frei von Plastik – Segen oder Fluch?“ mit Prof. Dr. Katharina Landfester, Prof. Dr. Kurt Kremer und Prof. Dr. Thomas Vilgis des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz diskutiert. Dieses in der Öffentlichkeit meist nur einseitig beleuchtete und zu differenzierende Thema wurde im Zuge von sechs Sitzungen ausführlich und kontrovers betrachtet.

An dem Seminar nahmen Studierende der Biologie, Chemie, Erziehungswissenschaft, Humanmedizin, Kunstgeschichte, Philosophie, Physik, Politikwissenschaft und Psychologie teil.

Nach einem einführenden Treffen wurden in der zweiten Sitzung studentische interdisziplinäre Vorträge zu unterschiedlichen Themengebieten rund um Kunststoffe in unsere Welt gehalten. Beispielsweise wurde sich mit der Verwendung von Plastik in der Kunst beschäftigt, was den allgemeinen Blickwinkel sehr erweiterte und besonders aufschlussreich war. Weitere Vorträge befassten sich mit Mikroplastik, Verpackungen und High-Tech-Polymeren.

Prof. Dr. Katharina Landfester, Direktorin der Abteilung Physikalische Chemie der Polymere am MPI für Polymerforschung, brachte in der dritten Sitzung unterschiedliche Verpackungen mit und zeigte uns anhand dieser anschaulichen Beispiele, wie unterschiedlich die chemische Zusammensetzung der Polymere ist und welches Polymer sich für welche Verpackung eignet. Dabei wurde die Notwendigkeit von Verpackungen im Lebensmittelbereich diskutiert.

In der vierten Sitzung wurde das Themengebiet „Plastik überall“ von dem geschäftsführenden Direktor des MPI für Polymerforschung, Prof. Dr. Kremer, behandelt. Zunächst wurden die besonderen Eigenschaften von Polymeren im Allgemeinen dargestellt. Anschließend wurden die Eigenschaften von Polycarbonat und Polyethylen im Expliziten thematisiert. Dies wurde mit sehr verständlichen und interessanten Beispielen von Anwendungen dieser Kunststoffe im Näheren beleuchtet. Ferner wurden die Brennstoffzelle (Verwendung: Apollo 11 auf Mondoberfläche) und medizinische Anwendungen vorgestellt. Zum Schluss wurde über die Frage diskutiert, ob weiterhin Zeit und Forschungsgelder in das Themengebiet Kunststoffe, und insbesondere in die Erforschung von alternativen Kunststoffen, gesteckt werden sollten.

In der fünften Sitzung wurde das Themengebiet biologisch abbaubarer Polymere von Prof. Dr. Katharina Landfester näher beleuchtet. Thematisch wurden zunächst die Schritte biologischen Abbaus erörtert. Hierzu zählen zunächst die Biodeterioration, die Depolymerisation durch Enzyme, die Bioassimiliation durch mikrobielle Zellen und zuletzt die Mineralisierung. Abbauarten hierbei sind die Oberflächenerosion und die Massenerosion. Anschließend wurde eine Differenzierung zwischen biobasierten und bioabbaubaren Biokunststoffen vorgenommen. In der Verpackungsindustrie wird das Siegel „Biokunststoff“ für beides verwendet. Während biobasierte Biokunststoffe allerdings bloß aus einem Teil erneuerbarer Ressourcen bestehen, sind bioabbaubare Biokunststoffe biologisch abbaubar – bestehen allerdings aus fossilen oder erneuerbaren Ressourcen. Zur Veranschaulichung brachte Prof. Dr. Landfester unterschiedliche Verpackungen mit „Bio“-Siegeln mit, wodurch eine industrielle Irreführung besonders gut verbildlicht werden konnte.

Prof. Dr. Thomas Vilgis stellte in der letzten Sitzung die unterschiedlichen Herausforderungen bei der Autoreifenherstellung vor. Aquaplaning, Rollwiderstand, Energie-Effizienz und Seitenführung in Kurven waren einige der Themen, die diskutiert wurden und uns die Bedeutsamkeit der Polymerforschung in Bezug auf die Fahrsicherheit zeigten.

Als Gäste im Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz erhielten wir einen Einblick in das Forschungsfeld der Wissenschaftler_innen und wurden damit konfrontiert, dass Plastik vielfältiger und kontroverser zu sehen ist, als es der mediale Diskurs vermittelt. Plastik kann beides sein: Segen und Fluch. Der Umgang mit funktionellen Kunststoffen entscheidet, was überwiegt.

Veröffentlicht am