Die Europäische Zentralbank – Erfahrungen mit 20 Jahren einheitlicher Geldpolitik und aktuelle Herausforderungen

Führung durch die EZB und Expertendiskussion

An diesem spannenden Q+Baustein nahmen zwölf Q+ Studierende der Erziehungswissenschaften, Biologie, Informatik, Physik, Politikwissenschaft, Publizistik, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft teil. Wissenschaftlich vorbereitet und fachlich sehr fundiert in die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank EZB eingeführt wurden wir von Mark Schäfer, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter derzeit zum Thema Geldpolitik am Fachbereich 03 promoviert und beispielsweise den Effekt von Globalisierung auf traditionelle geldpolitische Wirkungskanäle untersucht. In einer sehr lebhaften und mitunter auch kontroversen Diskussion beleuchteten wir die Ziele und den Handlungsrahmen der EZB, die Durchführung der Geldpolitik, die Transmissionsmechanismen, die aktuellen Herausforderungen sowie die Kritik an der Politik der EZB, etwa die Nullzins- bzw. Negativzinspolitik, die Mitarbeit in der Euro-Gruppe u.v.m.
Am Freitag, den 24. Mai 2019, ging es dann am frühen Nachmittag per S-Bahn zur EZB, vor der gerade eine „Fridays-for Future“-Demonstration zu Ende gegangen war. Die sowieso schon sehr hohen Sicherheitskontrollen waren noch ein bisschen gründlicher und es dauerte rund eine halbe Stunde, um überhaupt in das architektonisch futuristisch-beeindruckende EZB-Gebäude hineinzukommen. Im riesigen Foyerbereich wurden wir von Dr. Hans-Joachim Klöckers empfangen und durch mehrere Sicherheitsschleusen in den Büro- und Konferenztrakt begleitet. Dr. Klöckers ist seit März 2018 der Generaldirektor für Internationale und europäische Beziehungen der Europäischen Zentralbank (EZB). In dieser Funktion ist er für die auf die Weltwirtschaft bezogenen Tätigkeiten der EZB verantwortlich und für die Ausarbeitung von Positionierungen in Fragen der europäischen und internationalen Politik. Er hat den Vorsitz des Ausschusses für internationale Beziehungen der EZB inne. Zudem ist er in der EU als stellvertretendes Mitglied im Wirtschafts- und Finanzausschuss und der Arbeitsgruppe „Eurogruppe“ aktiv. Von 2005 bis 2018 war er als Leiter der Direktion Wirtschaftliche Entwicklung für die wirtschaftlichen Projektionen und Länderanalysen der EZB zuständig, zuvor leitete er die Direktion Geldpolitik.

Dr. Klöckers nahm sich über drei Stunden Zeit, um sich mit uns sehr ausführlich, kritisch und teilweise kontrovers auszutauschen. Zunächst referierte er darüber, dass sich seiner Analyse nach knapp ein Jahrzehnt nach dem Beginn der globalen Finanzkrise, die in der Euro-Zone die stärkste Rezession seit dem 2. Weltkrieg zur Folge hatte, die Euro-Zone wirtschaftlich erholt habe: die Arbeitslosenquote ist in den meisten Ländern der Währungsunion einstellig, Firmen verzeichnen hohe Umsätze und Banken vergeben wieder vermehrt Kredite an Unternehmen und Haushalte. Nichtsdestotrotz hält die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer „expansiven Geldpolitik“ fest, nachdem sie Zinssätze nahe Null implementiert und groß angelegte Wertpapierkäufe durchführt hat. Die Konsequenzen dieser politisch umstrittenen Politik wurden ausführlich und unter sehr lebhafter Beteiligung aller diskutiert. Themen u.a. wie Preisstabilität, Inflation und Deflation, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Finanzmarktstabilität, Beschäftigungspolitik, aber auch Nord-Süd-Gefälle Europas, die Griechenland- und Portugalkrise, die Beteiligung der EZB in der „Euro-Gruppe“ oder auch die Auswirkungen der Negativzinspolitik auf die Wirtschaften Europas, auf Firmen und Privathaushalte kamen dabei zur Sprache. Es war ein überaus spannendes, (selbst-)kritisches und sehr politisches Gespräch, das auch noch eine oder zwei Stunden lang weitergehen hätte können, so viele Themen gab es zu diskutieren. Aber wir wollten auch noch eine Führung durch das architektonisch außergewöhnliche Gebäude unternehmen. Dabei konnten wir u.a. auch einen Konferenzraum mit (ehemaligen – heute sprechen alle Englisch) Dolmetschendenkabinen begutachten, in dem sich auch schon die Staats- und Regierungschefs der Euroländer getroffen haben. Eine tolle und sehr spannende Exkursion an die EZB ging damit zu Ende.

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