Wie Wissenschaft forscht, Sitzung 2 und 3

 
(Wissens-)Kulturen beforschen. Teilnehmende Beobachtung in der qualitativen Sozialforschung

Leitung: Prof. Dr. Markus Verne, Dr. Christiane Schürkmann

Markus Verne ist Professor für Ethnologie mit Schwerpunkt Ästhetik. Er studierte Ethnologie, Philosophie und Pychologie an den Universitäten Tübingen und Mainz, promovierte an der Universität Bayreuth über Konsum und Knappheit im ländlichen Niger und forscht seit 2006 über populäre Musik in Madagaskar. Längere Forschungsaufenthalte führten ihn in die Hausaregion des Niger und ins madagassische Hochland (Antananarivo).

Christiane Schürkmann promovierte nach ihrem Studium der Sozialwissenschaften und der bildenden Kunst an der Universität Siegen mit einer ethnografischen Studie zu künstlerischem Arbeiten im Feld der bildenden Kunst. Seit 2010 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der JGU und dort tätig im Bereich der qualitativen Methoden, Kunstsoziologie, Techniksoziologie und Bildungssoziologie. In ihrer Habilitation arbeitet sie aus einer wissenschafts- und techniksoziologischen Perspektive zur Frage der ‚Endlagerung‘ hoch radioaktiver Abfallstoffe.

Teilnahmevoraussetzungen: Anwesenheit und Vorbereitung der Literatur:
Soziologie:
1) Spradley, J. P. (1980): Participant Observation. Belmont: Watsworth: 53-62; 2) Knorr Cetina, Karin (2002a [1981]): Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp: 17-61; 3) Knorr Cetina, Karin (2002b): Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen. Frankfurt am Main: Suhrkamp: 45-67.
Ethnologie:
Malinowski, Bronislaw (1979[1922]). Argonauten des westlichen Pazifik; Frankfurt a.M.: Syndikat, 23-49 (= Einführung: Gegenstand, Umfang und Methode der Untersuchung); Marcus, George (1995). Ethnography in/of the World System: The Emergence of Multisited Ethnography; Annual Review of Anthropology, 24, 95-117; Spittler, Gerd (2001): Teilnehmende Beobachtung als Dichte Teilnahme; Zeitschrift für Ethnologie, 126, 1-25.

Anforderungen: Zwingende Lektüre der Literatur. Sehr aktive Teilnahme im Rahmen des Seminars.

Lernziele: Die Studierenden sind nach der Kursteilnahme in der Lage, die Methode der teilnehmenden Beobachtung in den Disziplinen der Ethnologie und der qualitativen Sozialforschung mit besonderem Schwerpunkt einer wissenschaftssoziologischen Perspektive zu erklären. Sie können jeweils zentrale Vorgehensweisen im Forschungsprozess benennen und unterschiedliche Beobachtungsverfahren charakterisieren. Sie können die Grundprinzipien und Anwendungsgebiete teilnehmender Beobachtungen unterscheiden und sind in der Lage, Ergebnisse qualitativer Studien entlang zentraler Qualitätskriterien zu interpretieren und zu beurteilen.

Veranstaltungsbeschreibung: Das Seminar gliedert sich in zwei Teile: In einem ersten Block werden die Grundlagen der teilnehmenden Beobachtung jeweils für das Fach der Ethnologie und der (Wissenschafts-)Soziologie vorgestellt und diskutiert. Welche Herausforderungen birgt die teilnehmende Beobachtung im Rahmen qualitativer Feldforschung? Welche Datentypen werden generiert? Wie wird mit den erhobenen qualitativen Daten analytisch umgegangen? Wie rücken nicht allein Menschen und ihre Beziehungen, sondern auch Praktiken und Dinge des Ästhetischen und des Wissenschaftlich-Technischen in das Blickfeld des teilnehmenden Beobachters?

In einem zweiten Block erhalten die Studierenden, die sich für eine wissenschaftssoziologische Perspektive interessieren, die Gelegenheit, mit Naturwissenschaftlern des Instituts für Kernchemie der JGU Mainz in Kontakt zu treten und etwas über ihre Arbeiten am Forschungsreaktor TRIGA Mainz und den Umgang mit radioaktiven Stoffen zu erfahren. Der TRIGA ist ein inhärent sicherer Forschungsreaktor, der seit 1965 vom Institut für Kernchemie der JGU Mainz betrieben und intensiv für Forschung und Lehre eingesetzt wird: als starke Neutronenquelle für chemische und physikalische Grundlagenforschung, für die chemische Spurenanalyse, für Materialtests, für medizinische Fragestellungen sowie für Schulungen von wissenschaftlichem und technischem Personal. Der TRIGA Mainz ist eines der Großgeräte im von der DFG und dem Land Rheinland Pfalz an der JGU geförderten Exzellenzcluster PRISMA+. Betriebsleiter sind Herr Dr. Christopher Geppert und Herr Dr. Klaus Eberhardt. Im Rahmen des Seminars geht es darum, aus einer wissenschaftssoziologischen Perspektive zu beobachten, wie in diesem Kontext naturwissenschaftliches Wissen überradioaktive Stoffe erzeugt, kommuniziert und verhandelt wird. Hierzu wird einmal in Aufbau, Funktion und Anwendungen des TRIGA von Herrn Dr. Eberhardt eingeführt. Zudem wird Herr Prof. Dr. Tobias Reich einen Einblick in die Forschung zum Migrationsverhalten von Plutonium in Tongestein geben, das neben Salz und Kristallin als mögliches Wirtsgestein für ein nukleares Endlager in Deutschland betrachtet wird. Diese Studien tragen dazu bei, fehlende Daten für die Ableitung von Kriterien zur Standortauswahl für ein nukleares Endlager in Deutschland und dessen Langzeitsicherheitsanalyse zu erhalten.
Im Anschluss wird es Gelegenheit für Gespräche geben.

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