Der Amazonas: Kipp-Element für das Weltklima

Bericht von Melina Forêt (Studentin Rechtswissenschaft)

Vom 12.-13. Januar 2023 kamen 15 Studierende aus 14 unterschiedlichen Studienrichtungen im Q+Workshop „Der Amazonas. Kipp-Element für das Weltklima“ zusammen. Am ersten Workshop-nachmittag führte der brasilianische Historiker Joao Dias die Teilnehmenden in die Geschichte Brasiliens ein. Der Vortrag setzte bei indigenen Ureinwohner*innen vor 20.000 Jahren ein, beschäftigte sich aber besonders intensiv mit der Kolonialgeschichte, die ihren Anfang um 1500 mit der Entdeckung Brasiliens durch die Portugiesen nahm. Im Mittelpunkt standen vor allem wirtschaftliche Entwicklungen, denn Brasilien gewann vor allem durch den Handel mit sog. Brasilholz und später mit Zuckerrohr an Bedeutung im Weltgeschehen. Damit einher ging jedoch die Versklavung afrikanischer Menschen, die in Brasilien eine die USA deutlich übertreffende Dimension annahm. Aber auch die dramatischen Folgen der europäischen Kolonialisierung für die indigene Bevölkerung wurden thematisiert. Außerdem befassten sich die Teilnehmenden mit den politischen Entwicklungen bis heute, wobei der Einfluss des Militärs auf die Politik eine große Rolle spielte. Thematisiert wurden sowohl Fortschritte wie die Kontrolle der Inflation sowie wirtschaftliche Stabilität, als auch gesellschaftliche Enttäuschungen wie Korruptionsskandale und Kriminalität. Diesem ersten geschichtspolitischem Teil schloss sich eine Frage- und Diskussionsrunde an, die ihren Ausgangspunkt in einigen Texten hatte, die den Teilnehmenden vor dem Seminar zur Verfügung ge-stellt wurden. Dabei wurde deutlich, dass bei den Teilnehmenden schon jetzt ein großer Gesprächs- und Diskussionsbedarf entstanden war, denn die Diskussion kam schnell von spezifischen und auf Brasilien bezogene Themen ab und führte zu einer Diskussion, die in allgemeine Fragen der Relation zwischen ökologischer und sozialer Krise führte. Im Raum stand dabei auch immer wieder der Begriff einer sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft.

Am folgenden Tag führte der Biologe und Meteorologe Stefan Wolff die Teilnehmenden in die tropische Meteorologie und die Bedeutung des Regenwaldes für das Weltklima ein. Auf beeindruckende Art und Weise schaffte er es, auch denjenigen Teilnehmenden, die nicht aus naturwissenschaftlichen Fächer kamen, einen Zugang zu der komplexen Thematik zu ermöglichen. Ausgehend von der These, der Amazonas sei die Klimaanlage der Welt, beschäftigten sich die Teilnehmenden in den folgenden Stunden mit der Atmosphäre, den verschiedenen Klimazonen, der Bedeutung der Meere, dem Energiehaushalt der Erde und nicht zuletzt damit zusammenhängenden Kipppunkten. Stefanie Hildmann, Doktorandin der Chemie und Q+Studierende, brachte schließlich eine chemische Perspektive mit in das Seminar, in dem sie die Bedeutung von Aerosolen in der Atmosphäre und deren Einflüsse auf den Klimawandel erläuterte. Nach diesem theoretischen Teil konnten die Teilnehmenden im Rahmen eines Planspieles selbst über mögliche Herangehensweisen diskutieren und nahmen Standpunkte der Wissenschaft, Investoren, Landwirtschaft, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sowie indigenen Gruppen ein. Die einzelnen Interessensgruppen erarbeiteten Ziele und Argumentationen und schließlich Fünfjahrespläne, welche in großer Runde diskutiert wurden. Bei der gemeinsamen Abschlussrunde fanden insbesondere die Berücksichtigung aller Interessensgruppen und damit einhergehend auch die Einbindung indigenen Wissens und die Sicherheit indigener Kulturen, sowie soziale Aspekte und alternative Modelle für die Landwirtschaft Beachtung. Zum Abschluss des Seminars erhielten die Teilnehmenden einen Einblick in das ATTO-Projekt, ein deutsch-brasilianisches Forschungsprojekt, das inmitten des brasilianischen Regenwaldes liegt.

Es waren zwei sehr intensive Seminartage, die ganz neue Einblicke sowohl in die brasilianische Ge-sellschaft und ihrer Geschichte, als auch in die Natur und ihre Bedeutung für die Welt ermöglichte. Ein Seminar, das viel zum Nachdenken und vielleicht auch zum Handeln anregte.

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