Die alternde Gesellschaft und Pflege(-notstand) – Japan und Deutschland im Vergleich

Bericht von Sebastian Auer, M.Sc. International Economics and Public Policy und Adam Will, M.Ed. Englisch und Französisch

Japan und Deutschland – eine Distanz von 9.000 Kilometern. Japan ist eine fremde, Jahrtausende alte Hochkultur und dennoch ist eine enorme Ähnlichkeit mit deutschen Strukturen auf verschiedenen Ebenen feststellbar; sei es hinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft, der Gesetzgebung oder bezüglich universitärer Strukturen. Eine weitere Ähnlichkeit der beiden Länder besteht im Hinblick auf ihre Demographie. Beide Länder stehen vor ähnlichen Herausforderungen einer alternden Bevölkerung und einer niedrigen Geburtenrate, welche Auswirkungen auf die Sozialsysteme und Arbeitsmärkte in beiden Ländern haben. Umso wichtiger ist der intensive Austausch zwischen den befreundeten Staaten, um Wege und Lösungen für die gemeinsamen Herausforderungen zu entwickeln.

Dem will das Studienprogramm Q+ nachkommen, indem es durch die neu geschaffene Kooperation mit dem Deutschen Institut für Japanstudien (DIJ) in Tokio/Japan fortan jährlich Lehrende des renommierten Forschungsinstituts einlädt, die als „Q+Fellow International“ in Mainz Raum für den internationalen und interdisziplinären Austausch bieten werden.

Zum Einstieg in das Seminar am 25. und 26. Mai 2023 durften die 14 Teilnehmenden aus 11 unterschiedlichen Fächern einen faktenreichen, hochinformativen Vortrag von Prof. Dr. Franz Waldenberger, Professor für japanische Wirtschaft an der LMU München und Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien zum Thema „Gesellschaftliche Alterung und Pflege im deutsch-japanischen Vergleich“ hören. Prof. Waldenberger, der damit die „offiziellen Kooperation“ zwischen dem DIJ und Q+ eröffnete, gab aus makroökonomischer Perspektive einen ersten Überblick über die jeweiligen Gesundheitssysteme, über die jeweiligen Herausforderungen und Finanzierungsprobleme und überraschte die Teilnehmenden mit auffälligen Parallelen in beiden Ländern. Nach einer Pause schilderte Prof. Dr. Renate Stemmer als Professorin für Pflegewissenschaft und Pflegemanagement an der Katholischen Hochschule in Mainz die aktuelle Situation informeller und professioneller Pflege in Deutschland. Dabei wurde in dem interaktiven Vortrag eine intensive Diskussion mit der Seminargruppe über die Arbeitsbedingungen in der Pflege angeregt. Im Anschluss erarbeiteten die Seminarteilnehmenden Impulsreferate zum deutschen Gesundheitssystem und diskutierten lebhaft über mögliche Lösungsansätze.

Am Folgetag stellte dann die aus Japan angereiste Prof. Dr. Hiroko Kudo, Full Professor of public policy and management an der Faculty of Law, Chuo University, Tokio/Japan, den Pflegekräftemangel in Japan dar. Wichtig war ihr dabei zu betonen, dass Japan aktiv an Lösungsansätzen zur Bewältigung des Pflegemangels arbeitet und insbesondere im Bereich Robotik und Digitalisierung Ansätze sieht. So werden in Japan bereits im größeren Ausmaß Pflegeroboter eingesetzt. Besonders zum Anheben/Setzen/Legen von Patient:innen sind Pflegeroboter äußerst hilfreich, da schwere Patient:innen oft nur durch den Einsatz mehrerer Pflegekräfte bewegt werden können und ein Pflegeroboter dort einen enormen Nutzen stiftet. Um auch den sozialen Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden, werden in Japan vermehrt Roboter wie die Therapie-Robbe „Paro“ erprobt, die Demenzkranke beim Ausdrücken und Erfahren von Emotionen unterstützen kann.

Nachdem die Seminargruppe diesen und weitere Lösungsansätze auch während der Mittagspause diskutiert hatte, zeigte Prof. Dr. Claus Zippel, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Management im Gesundheitswesen an der KH Mainz, mit seinem Vortrag das Potenzial von Prozessoptimierungen im Gesundheitsbereich auf. Ein weiteres Highlight war das Gespräch mit Daniel Seidler, Studierenden des Pflegemanagements, der über einige sehr praxisnahe und ernüchternde Impressionen aus seiner täglichen Arbeit berichtete . Die Arbeit im Bereich der Pflege könnte aus seiner Sicht durch einen Abbau von Hierarchien im Gesundheitswesen sowie durch eine Ausweitung der Befugnisse für Pflegekräfte attraktiver gestaltet werden.

In der abschließenden Diskussionsrunde wurden die Erkenntnisse des Seminars durch die Gruppenteilnehmenden geordnet, besprochen und reflektiert. Die Eindrücke aus Theorie und Praxis, das vertiefte Verständnis für die Situation von Arbeitenden in der Pflege sowie die vorgestellten und diskutierten Handlungsansätze haben die Relevanz des Themas unterstrichen. Weiter wurde besonders die internationale Betrachtung des Problems der Dimension gerecht, denn ein Blick über den Tellerrand kann den Austausch in Deutschland bereichern. Japan hat interessante Handlungsansätze und eine weitere, intensive Kooperation ist wichtig und wünschenswert.

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